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Drei starke Frauen
Im Buchtipp stellt Melanie Tenhumberg den neuen Roman von Trude Teige vor
„Als Großmutter im Regen tanzte“ führt die Leser in das Deutschland der Nachkriegszeit, das durch Armut, Gewalt und Zerstörung geprägt ist.
Melanie Tenhumberg gibt eine klare Leseempfehlung: „Eine berührende Geschichte, die lange nachhallt und im Gedächtnis bleibt“, schreibt sie.
Als die junge norwegische Krankenschwester Juni sich von ihrem gewalttätigen Ehemann trennt, bricht für sie eine Welt zusammen. Sie reist auf die Insel ihrer Kindheit, um über die nächsten Schritte in ihrem Leben nachzudenken. Juni zieht in das Haus ihrer verstorbenen Großeltern Tekla und Konrad und wird dort von den Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt.
Ihre Mutter Lilla, die ihr gegenüber immer eher distanziert war, ist ebenfalls kürzlich verstorben und hat das Geheimnis, wer Junis Vater ist, mit ins Grab genommen. Im Haus der Großeltern entdeckt Juni dann ein Foto ihrer Großmutter Tekla mit einem deutschen Soldaten und stellt fest, dass ihre Großmutter ihren norwegischen Mann Konrad erst nach der Geburt von Junis Mutter geheiratet hat. Sie beginnt nachzuforschen, was es damit auf sich hat und findet heraus, dass sich Tekla im Zweiten Weltkrieg in den deutschen Soldaten Otto verliebte und als „Deutschenmädchen“ stigmatisiert wurde. Sie folgte ihm auf das familiäre Gut nach Ostdeutschland, wobei ihr die norwegische Staatsbürgerschaft aberkannt wurde.
Durch ihre Augen tauchen die Leser ein in ein Deutschland der Nachkriegszeit, dieses ist geprägt durch Zerstörung, Armut und Gewalt. Verstörend wird die Tragödie geschildert, als im Jahr 1945 die russische Armee über Ottos ostdeutsches Heimatdorf Demmin herfiel, in deren Anschluss sich hunderte Frauen aus Verzweiflung das Leben nahmen.
Junis Recherchen führen sie auf Teklas Lebensweg weiter ins ausgebombte Berlin bis nach Hannover, wo schließlich Lilla zur Welt kommt. Nach und nach fügen sich einzelne Berichte und Dokumente zusammen und es kristallisiert sich das Bild eines Kriegstraumas heraus, das sich über Generationen hinweg stetig weitervererbte.
Trude Teige lässt in „Als Großmutter im Regen tanzte“ eine zu Unrecht verdrängte Epoche lebendig werden. Sie hat diese Geschichte mit vielen sympathischen Charakteren gefüllt, die den grausamen Lebensumständen mit Empathie und Weitsicht begegnen. Besonders die Geschichte der drei starken Frauen erobern die Herzen der Leser und regen zum Nachdenken über die eigene Familiengeschichte an. Dadurch, dass der Roman auf zwei Zeitebenen erzählt wird, wirkt die historische Betrachtung aus der Sicht Teklas sehr intensiv.
Die Autorin beschreibt die gut recherchierten Fakten einfühlsam und eindringlich, sie verschweigt bewusst keine schrecklichen Themen. Der klare und unaufgeregte Schreibstil unterstreicht die Authentizität der Figuren und hebt die Botschaft des Romans deutlich hervor: auch wenn Traumata auf die Generationen der Töchter und Enkelinnen übergeben werden, so kann die Kraft der Liebe ganz entscheidend zur Linderung und zur eventuellen Heilung beitragen. Eine berührende Geschichte, die lange nachhallt und im Gedächtnis bleibt.
Trude Teige gehört zu den bekanntesten Journalistinnen und TV-Moderatorinnen Norwegens. Ihr neuester Roman „Als Großmutter im Regen tanzte“ stand mehrere Jahre lang auf den norwegischen Bestsellerlisten.
Viel Spaß beim
Lesen wünscht Ihnen
Melanie Tenhumberg,
Bibliothekarin der
Stadtbibliothek Bocholt
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