Wirtschaft
Hund fordert Mittelstandsoffensive
Handwerkskonjunktur war fabelhaft – bis Corona kam
Der Abfall der Geschäftstätigkeit durch die Corona-Krise passierte für zahlreiche Betriebe, als sie obenauf waren. Jetzt heißt es durchhalten.
© Handwerkskammer Münster
„Das Handwerk will arbeiten, damit viele Betriebe die Corona-Krise überleben und Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten bleiben“, betont HWK-Präsident Hans Hund.
Bis Ende März ging es dem Handwerk im Kammerbezirk Münster noch fabelhaft. Die Zukunftserwartungen waren weitgehend optimistisch. Das ergab die Frühjahrs-Konjunkturumfrage, die die Handwerkskammer (HWK) Münster durchgeführt hat. Rund die Hälfte der insgesamt 310 antwortenden Betriebe bewertete ihre Geschäftslage allerdings vor den verordneten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. „Mittlerweile sieht das Gesamtbild im Handwerk anders aus“, weiß Kammerpräsident Hans Hund.
Härtefallregelung erforderlich
Die Corona-Krise beeinträchtigt mittlerweile 93 Prozent aller Handwerksbetriebe im Kammerbezirk Münster. Das hat die dritte Blitzumfrage der Handwerkskammer (HWK) Münster zu den Pandemiefolgen ergeben. Daran beteiligten sich 897 Unternehmen. In der gleichen Umfrage vor gut einem Monat (Stichtag 21. März) fühlte sich gut die Hälfte der Befragten betroffen. Der Index für starke bis sehr starke Effekte im Handwerk legte im Vergleichszeitraum von 22 auf 32 Prozentpunkte zu.
„Das Handwerk trägt die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit. Es begrüßt die Lockerungen für die meisten Ladengewerke“, bekräftigte HWK-Präsident Hans Hund. Wichtig sei aber auch, dass die NRW-Soforthilfe nach der zwischenzeitlichen Antragstellungspause nun schnell bei Betrieben ankomme.
Außerdem blieben Existenzgründer, die sich erst in diesem Jahr selbstständig gemacht hätten, bislang von Hilfen unberücksichtigt. „Zumindest für junge Unternehmen, die länger als drei Monate bestehen, brauchen wir eine Härtefallregelung“, so Hund. Das gelte auch für Nebenerwerbsbetriebe, deren Kosten gleichfalls nicht bedacht seien.
Von den befragten Handwerksbetrieben haben 56 Prozent die NRW-Soforthilfe bereits beantragt oder möchten dies tun. An die Kommunen im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region appelliert Hans Hund, wirtschaftliche Einbrüche durch die Vergabe von Aufträgen auszugleichen und kleine und mittlere Unternehmen vor Ort durch eine Mittelstandsoffensive zu fördern. Das komme auch Arbeits- und Ausbildungsplätzen zugute. HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz: „Die Krise legt offen, wie wichtig die weitere Digitalisierung des Handwerks ist. Der Einsatz digitaler Techniken trägt stark dazu bei, das unternehmerische Überleben zu sichern und den Kundenservice auch in außergewöhnlichen Situationen aufrechtzuerhalten.“
Handwerk will Personal halten
Banasiewicz fordert eine bessere Förderung von Beratungsleistungen zur Digitalisierung und von Investitionen in Hard- und Software sowie Weiterbildung. Größtes Problem für die Betriebe sind die weggebrochenen Aufträge durch eine gesunkene Kundennachfrage. Hiervon fühlen sich 53 Prozent der Befragten stark bis sehr stark betroffen. Das spiegelt sich in den fallenden Umsätzen wieder, die über alle Branchen hinweg mäßig gesunken sind, bei 46 Prozent aber stark bis sehr stark.
Das Handwerk versuche, seinen Personalbestand zu halten, auch mit Blick auf den voraussichtlichen Fachkräftemangel in der Zeit, wenn die Pandemie-Einschränkungen vollends aufgehoben würden, teilt die HWK mit. Kurzarbeit haben 31 Prozent eingeführt und steht bei 22 Prozent an. Die überwiegende Mehrheit (60 Prozent) hält Kündigungen für unwahrscheinlich. Nur acht Prozent mussten betriebsbedingt Personal abbauen. Beschaffungsprobleme bestehen insgesamt nur mäßig.
Die Lieferfähigkeit der Betriebe und die eigenen Lieferpreise sind lediglich gering beeinträchtigt. Liquiditätsengpässe trafen bei 18 Prozent der Befragten bereits ein und sehen 41 Prozent auf sich zukommen. Ein erhöhter Kreditbedarf besteht bei neun Prozent und ist bei 33 Prozent wahrscheinlich.
Am meisten beeinträchtigt sehen sich die personenbezogenen Dienstleistungsgewerbe, die direkt für Endkunden arbeiten (Corona-Effekt-Index für starke bis starke Betroffenheit der Befragten: 41 Prozentpunkte). Es folgen die Anbieter für den gewerblichen Bedarf (39 Prozentpunkte), das KFZ-Gewerbe (33 Prozentpunkte) und die Gesundheitsgewerbe (28 Prozentpunkte).
Am geringfügigsten stark bis sehr stark beeinträchtigt sind die Ausbaugewerbe (21 Prozentpunkte), die Nahrungsmittelgewerbe (19 Prozentpunkte) und das Bauhauptgewerbe (17 Prozentpunkte).
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Die Auftragslage im Handwerk hat sich eingetrübt, aber dennoch wollen die meisten Handwerksbetriebe versuchen, ihre Mitarbeiter zu halten.